Ich fahre gerne Bahn, ich fahre oft Bahn. Ich bin also dem großen deutschen Mobilitätskonzern durchaus gewogen. Wundern tue ich mich dennoch. In diesen Herbstferien bin ich von München nach Essen und zurück gefahren. So hatte ich wieder viele Stunden Zeit zu lauschen. Auf die Durchsagen. Es geht mir heute nicht um die entwicklungsfähige Aussprache der englischen Durchsagen. Das haben schon die „Wise Guys“ mit Ihrem Song „Senk you for träveling wis Deutsche Bahn“ gemacht.
Mir geht es um die Betonung. Warum in alles in der Welt haben alle, die an dieses schlecht ausgesteuerte Boardmikro dürfen, so einen Sing-Sang. Es ist der gleiche Sing-Sang wie ihn der Gurkenhobelverkäufer in der Fußgängerzone oder der Betreiber eines Fahrgeschäftes auf dem Jahrmarkt hat. Es ist eine unnatürliche Beschleunigung und dann ein albernes Langziehen bestimmter Satzteile und Worte. Bei der Bahn klingt das so: „Bei Fragen (auf dem -gen geht die Stimme schon mal ganz hoch), sprechen Sie mich und mein Team (diesen Satzteil jetzt schnell sprechen, ausruhen auf Team) gerne an. (das kurze Wort „an“ wird auf einmal zweisilbig ah-an ausgesprochen).“
Vor allem die Pausen wirken seltsam. „Wir erreichen in wenigen Minuten (Pause, Stimme hoch) Nürnberg Hauptbahnhof.“ Das irritiert mich, müssen sich die Mitarbeiter der DB wirklich erst vergewissern, wo wir sind. Ich stelle mir dann vor, dass sie kurz aus dem Fenster schauen und die Vorstadt von Nürnberg erkennen. Wahrscheinlicher ist, dass ihr Blick auf den Boardcomputer fällt, der das anzeigt. Weiter: „Hier werden alle (Pause) planmäßigen Anschlusszüge (das jetzt ganz schnell aussprechen) erreicht. (Sprich „ähr-reieicht“, das letzte Wort im Satz ist von Natur aus zweisilbig, so lässt es sich noch besser in die Länge ziehen).“
Bei einer langen Zugfahrt kann dieser Sing-Sang ganz schön nerven. Die Durchsagen sind wichtig für die Fahrgäste. Naja, bis auf die kleinen Marketing-Notlügen über das Angebot im Boardbistro; die Worte „reichhaltig“ oder „lassen Sie sich verwöhnen“ stimmen hier halt einfach nicht. Die Durchsagen zu Verspätungen, Gleisänderung oder welche Züge warten, sind jedoch für einen Teil der Reisenden wirklich wichtig, damit sie ihre Reise gut fortsetzen können. Wie schön wäre es, wenn der Mensch am Mikrofon das in einfachen, klaren Sätzen mit einer normalen Betonung erzählen würde. Eine Pause am Ende des Satzes, damit wir die Information abspeichern können.
Vermutlich imitiert der eine Zugbegleiter den nächsten. Weil er es nicht anders gelernt hat. Hallo DB-Personalabteilung, ermöglicht Euren Mitarbeitern mal ein Stimmtraining. Oder gibt es einen anderen Plan hinter dem Sing-Sang. Soll er so manche Ungeheuerlichkeit verstecken? Soll ich mich in Sicherheit wiegen, einlullen lassen, obwohl ich gerade jetzt meinen Anschlusszug verpasse. Da denke ich unwillkürlich an die Lockrufe des Kettenkarussell-Betreibers auf dem Oktoberfest: „Steigen Sie ein und los geht die wilde Fahrt!“
Foto: Alte Dampflok auf dem Weg von Augsburg an den Ammersee, Alexander Grellmann, www.bildermeisterei.de
2 Kommentare zu „Die Melodie der Bahn“
Tolles Foto zu dem Beitrag. Das war auch auf dem Titel vom letzten Einhorn, oder?
Zu den Durchsagen in den Zügen: Spricht da wirklich jemand ins Mikro oder sind das gespeicherte Ansagen, die je nach Situation aus Sprachschnipseln kombiniert werden? Das würde die oft seltsamen Pausen zwischen den Satzteilen erklären.
Hallo Leopold!
Also, bei meiner nächsten Bahnfahrt werde ich nochmals persönlich nachfragen. Meiner Ansicht nach sprechen wirklich Menschen zu uns, denn die Stimmen sind sehr unterschiedlich. Außerdem würde bei einem Sprachcomputer tatsächlich die englische Aussprache besser sein …
Und ja, das Foto war das Herbstcover des „Einhorns“ – für alle Nicht-Schondorfer, das ist unsere Gemeindezeitschrift, benannt nach dem Wappentier von Schondorf.
Stefanie Windhausen
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