Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass Ihr Bett ein Ort der Revolution ist? Ich gestehe, ich nicht. Neulich flatterte mir das Magazin eines Herstellers für Öko-Möbel ins Haus.* Darin ein großartiger Artikel über den Schlaf in der modernen Gesellschaft. Unter dem Titel „Luxus, Muße, Widerstand“ machte der Autor auf die Tatsache aufmerksam, dass die Ratgeber-Manie, wie wir unser Leben noch mehr optimieren können, auch vor unserem Schlafzimmer nicht Halt macht.
Wer gut und ausreichend schläft, leistet am Tag mehr. Es gibt Untersuchungen, die herausgefunden haben, wie groß der wirtschaftliche Schaden durch unausgeschlafene Mitarbeiter ist. Und es gibt eine riesige Industrie, die erholsamen Schlaf verspricht. Die Wahl der richtigen Matratze ist schwieriger als die Konfiguration eines Neuwagens. Ich weiß, wovon ich spreche. Es gibt „beschwerte Decken“, die den darunter liegenden Menschen entspannen sollen. Dadurch bewegt sich der Schläfer weniger und es wird angeblich mehr Serotonin ausgeschüttet. Serotonin ist das Schlafhormon. Natürlich gibt es auch Schlaftrainer oder fünftägige Schlafworkshops für schlappe 4.300 Euro.
Woher kommt das Wort schlafen? Im Althochdeutschen – also so um 800 – hieß es slafan. Das geht zurück auf das germanische slepan. Das Wortteil leb- heißt schlaff herabhängend. Und auch das Lateinische labi – herabgleiten, sinken klingt hier an. Und zwar von etwas, von der Arbeit, der Mühe, der Anstrengung, lateinisch labor. Also beschreibt das Wort schlafen doch alles, was es umfasst: Die Muskeln entspannen sich, wir gleiten in eine andere Dimension und erholen uns von der anstrengenden Arbeit, der Mühsal des Tages.
So, und wo ist jetzt die Revolution?
Die beginnt dort, wo wir unser Bedürfnis nach Schlaf einfach so nehmen, wie es ist. Unseren Schlaf nicht optimieren, um noch mehr leisten zu können. Ihn nicht akribisch kontrollieren mit Hilfe von Apps oder Biophasen-Weckern, die bestimmen, wann die beste Zeit zum Aufstehen ist.
„Der Schlaf wird in der globalen und digitalen Welt entweder mystifiziert oder kontrolliert,“ sagt der Schlafforscher Till Roenneberg. Damit werde langer, genussvoller Schlaf zum Luxus, ja zur Flucht aus dem kapitalistischen Leistungssystem.
Mir gefällt diese Sichtweise. Ich bin nicht spießig, wenn ich ab und zu echt früh ins Bett gehe. Ich lebe meinen Luxus aus. Herrlich.
* www.grueneerde.com/moderner-schlaf
2 Kommentare zu „Träum süß!“
Schöner Text und Top Foto! Brste Grüsse aus München, Alex
Ich bin inzwischen sogar so offen spießig, dass ich manchmal mittags ein Nickerchen mache. Ein herrlicher Luxus.
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