Glasklar

In diesem Blog erfahren Sie, warum Ihre Präsenz und Führungsstärke steigt, wenn Sie auf den Konjunktiv verzichten. Dazu habe ich ein Beispiel. Vor kurzem habe ich mit Medizinern ein Sprachtraining gemacht. 22 Ärzte, je zur Hälfte niedergelassene und Klinikärzte, haben sich an einem schönen Sonntag mit der Wirkung ihrer Worte beschäftigt. Trainings mit Ärzten mache ich gerne. Ich wünsche mir immer, dass deren gute Arbeit sich auch in schönen und klaren Worten mit den Patienten ausdrückt.

Besonders lebhaft war die Teilnahme beim Thema „Konjunktiv“. Zunächst ist der Konjunktiv die Möglichkeitsform im Deutschen. Ich benutze ihn, wenn ich etwas beschreibe, dass so nicht der Realität entspricht. Also zum Beispiel: Wenn ich im Lotto gewinnen würde, könnte ich mir ein Haus am See kaufen. (Früher hieß es: Wenn ich im Lotto gewönne, könnte ich mir ein Haus am See kaufen.)

Zurück zu den Ärzten, die den Konjunktiv wie die meisten Deutschen als Höflichkeitsform nutzen, noch dazu verstümmelt. Ihre Sprache ist voll mit Sätzen wie: „Ich müsste das noch kurz mit dem Oberarzt besprechen.“, oder „Ich würde diese Therapie machen.“ Müsste und würde zeigen hier den Konjunktiv an. Und es fehlt der zweite Satzteil, der die Bedingung beschreibt, also zum Beispiel „…, wenn der Oberarzt Zeit hätte.“

Menschen, die viel im Konjunktiv sprechen, wirken unentschlossen uns unsicher, als wollten sie keine Verantwortung übernehmen. Das ist vielen so nicht klar. Besonders deutlich wird das, wenn der Konjunktiv mit einer Frage verbunden wird. Dazu nehme ich gerne ein Beispiel aus dem Familienalltag. Wenn Sie Ihr Kind bitten: „Würdest Du Dein Zimmer aufräumen?“ bleibt das Chaos sicher noch lange liegen. Der Handlungsimpuls ist gleich Null. Wie lässt sich das ändern? Mein unordentliches Kind kann ich so ansprechen: „Markus, bitte räume jetzt Dein Zimmer auf.“ Das geht den meisten Teilnehmern leicht über die Lippen. Denn der Wunsch, höflich zu sein, ist vor allem im Berufsleben ausgeprägt.

Bei den Ärzten habe ich deswegen noch ein weiteres allgemeines Beispiel genommen, um mich an das Thema Konjunktiv anzupirschen. Zwei Ärztinnen haben sich gegenseitig mit dem Satz „Frau Müller, könnten Sie bitte das Fenster schließen!“ angesprochen und den dann umformuliert zu „Frau Müller, bitte schließen Sie das Fenster.“

Frau Müller heißt natürlich im echten Leben anders. Sie ist Hausärztin, kommt ursprünglich aus Rumänien und hat ihre Praxis auf dem Land.  Beim zweiten Satz: „Bitte schließen Sie das Fenster!“ strahlte Sie über das ganze Gesicht. Dieser Satz sei viel, viel besser, als der erste. Sie wisse nämlich sofort, was sie tun solle.

Was ist passiert, dass diese Variante für sie glasklar ist? Deutsch ist weltweit gesehen bei der Verbstellung eine große Ausnahme. Es gibt kaum Sprachen, die die beiden Verbteile soweit trennen können, wie das Deutsche. Statt „Bitte, schließen Sie das Fenster“ stehen bei der Konjunktiv-Variante viele Wörter dazwischen  „Könnten Sie bitte das Fenster schließen? Und wir könnten ja noch viel mehr Worte dazwischen packen.

Meine glasklare Erkenntnis aus dem Fenster-Beispielsatz ist. Mit Konjunktiv-Formulierungen wirkt der Sprecher entscheidungsschwach, unsicher und unklar. Vor allem bei Menschen, die Deutsch als Fremdsprache gelernt haben. Und vielleicht auch bei so manch anderem Muttersprachler.

Mehr zum Thema Konjunktiv: \“Meine Sprache und ich“, Theodor von Stockert, S. 72 ff, Lingva Eterna Verlag

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