Ich habe ein Schaffell gekauft. Ein Freund von mir hat eine Schafherde und verkauft auch verschiedene ökologisch gegerbte Felle. Ich wollte mir eins für meinen VW-Bus kaufen, denn gerne verbringe ich meine Kurzabenteuer in der Natur und übernachte im Bus und irgendwann ist mir kalt. Es gab schneeweiße Felle, leicht rosé gefärbte Felle, goldgelbe Felle … ja und ein ganz dunkles, vom schwarzen Schaf halt.
Noch bevor ich meine Kaufentscheidung fällte, grübelte ich darüber nach, woher die Redewendung kommt „das schwarze Schafsein“. Als das „schwarze Schaf der Familie“ wird gerne jemand bezeichnet, der die Erwartungen oder die übliche Norm dieser Familie nicht erfüllt, wenn alle zum Beispiel Beamte sind und einer will Musiker werden. Das „schwarze Schaf einer Branche“ sind Unternehmen, die sich Kunden gegenüber unredlich (auch so ein herrliches Wort über das es sich nachzudenken lohnt) verhalten und gegen Regeln und Vorschriften verstoßen. In der Gruppendynamik erfüllt das „schwarze Schaf“ die Rolle des Sündenbocks. Die Gruppe verstärkt den inneren Zusammenhalt auf Kosten des Außenseiters.
Um dieser Frage weiter auf den Grund zu gehen, habe ich im Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten von Lutz Röhrich nachgelesen. Das ist so etwas wie der Duden der Sprichwörter. Dort fand ich die älteste Erwähnung der schwarzen Schafe. Im Alten Testament 1. Moses 30,32 steht: „Ich will heute durch alle deine Herden gehen und aussondern alle gefleckten und bunten Schafe und alle schwarzen Schafe…“ Puh, da hatten nicht nur die schwarzen Schafe das Nachsehen, sondern alle, die nicht wollweißes Fell trugen. Das ist auch der Hauptgrund fürs Aussortieren, die Wolle soll hell bleiben. Schäfer, die vor allem Wolle produzieren, wollen eine möglichst einheitliche und helle Farbe, da sich diese besser färben lässt. Aha.
Doch es gibt auch Schäfer, die extra schwarze Schafe in ihrer Herde haben. In der Lüneburger Heide machen das einige, weil sich die Herde dann nicht mehr so leicht vor Wildschweinen erschreckt. Wildschweine kommen nachts auf die Weiden, um nach Nahrung zu suchen. Dabei interessieren sich im Grunde gar nicht für die Schafe und stellen auch keine Gefahr dar. In Herden ohne schwarze Schafe kann allerdings Panik auftreten, weil die Wildschweine einen Fluchtreflex auslösen. Sind die weißen Schafe jedoch an schwarze Artgenossen gewöhnt, die den Wildschweinen in ihren Augen ähnlich sind, bleiben sie eher ruhig, wenn Wildschweine kommen.
Ich habe mir dann das schwarze Fell gekauft, denn wer will schon so aussehen wie alle. Auf dem Fell vor dem Kamin liegend, kann ich dann in der staden Zeit darüber sinnieren, woher wohl die Redensart kommt, „seine Schäfchen ins Trockene zu bringen“.
Ich wünsche allen Lesern gesegnete Weihnachtstage und einen fröhliches, neues Jahr 2025.