Es fängt schon mit der Fotoauswahl an. Was ist das Sinnbild für die Klimakrise? Ein ausgedörrter Acker, rauchende Schlote, Überschwemmung, golfballgroße Hagelkörner? Das habe ich alles schon so oft gesehen. Es macht mich traurig und wütend zugleich, vor allem nimmt es mir den Mut.
Ich habe jetzt dieses Foto gewählt: der Atlantik! Mit mächtigen Wellen im Licht der untergehenden Sonne. Für mich symbolisiert es die zwei großen Gefahren des Klimawandels, Sonne und Meer. Also zu viel Hitze und steigende Meeresspiegel. Und dennoch bin ich bei diesem Foto gewillt zu handeln, denn diese Welt ist so schön, dass ich sie schützen will.
Kurz vor den Sommerferien habe ich redaktionell bei einer Stellungnahme zu den „Klimazielen 2030“ der Leopoldina, der deutschen Akademie für Wissenschaft mitgearbeitet. Die Leopoldina ist die Champions League der Wissenschaft Deutschlands. Sie ist dazu da, die Politik zu beraten, unabhängig und immer aus unterschiedlichen Fachrichtungen. So saßen auch in Berlin bei den Treffen für die wissenschaftliche Stellungnahme Ökonomen und Soziologen, Polar-, Meeres- und Kohlenforscher zusammen. Ein Sprecher war Prof. Haug, ein Paläo-Klimatologe. Das heißt, er entschlüsselt die klimatischen Verhältnisse der vergangenen Erdgeschichte.
Die Damen und Herren Professoren sind alle besorgt, sehr besorgt. Das Papier sollte ein Weckruf sein, vornehm und dennoch eindringlich: „Liebe Bundesregierung, wenn Ihr jetzt im September im Klimakabinett zusammensitzt, habt den Mut, Weichen zu stellen in der Klimapolitik.“
Das ganze Papier ist 30 Seiten lang. Sich kurz zu fassen, ist schwierig für Wissenschaftler, da sich Verallgemeinerungen verbieten und jedes Detail wichtig ist. Es gibt eine gute Zusammenfassung am Beginn und 10 Empfehlungen zum Schluss. Und ehrlich gesagt, lohnen sich auch die Seiten dazwischen. Zum Beispiel auf Seite 10 das Kapitel zur Ausgangslage und Diagnose. „Die derzeit erreichte Konzentration von atmosphärischem CO2 (…) gab es letztmals vor 3 Millionen Jahren (…). Damals war die globale Durchschnittstemperatur 2-3°C wärmer, Grönland und die Westantarktis hatten keine oder bedeutend weniger Eisbedeckung. Der Meeresspiegel lag etwa 20 Meter höher.“
Das war die Stelle, die mich wirklich umgehauen hat. 20 Meter höher! Nicht zwei oder drei, was bei küstennahen Städten schon eine Katastrophe wäre. Die Wissenschaftler sagen nicht, dass das morgen so sein wird. Sondern nur, dass es schon mal so war, als Klima- und Niederschlagszonen verschoben und die Strömungen im Ozean fundamental anders waren. Ich habe ein Bild vor Augen. Es ist aus diesem sehr mittelmäßigen Science-Fiction Film mit Kevin Costner von 1995: „Waterworld“. Es hat mir vor über 20 Jahren Angst gemacht.
Mitten in meinen kreativen Schreibprozess, lese ich einen Artikel von Rico Grimm von den Krautreportern. Das ist ein unabhängiges journalistisches Netzwerk. Der Titel des Artikels lautet „Hoffnung in der Klimakrise“. Die zentrale Idee des Autors ist dabei, dass es Gefühle braucht, um zu handeln. Da wir in Deutschland noch in der Klima-Komfortzone leben, ist zunächst die Angst ganz brauchbar, um zu mobilisieren. Danach braucht es allerdings die Hoffnung, denn Angst macht egoistisch. Rico Grimm schreibt: „Hinter jeder Hoffnung steckt ein Wunsch. Sie hat ein Ziel, (…). Angst hingegen ist nicht konstruktiv, sie will nur abwehren. Überwiegt die Angst, geht es den Menschen eher um Verteidigung, überwiegt die Hoffnung geht es ihnen um Aufbau.“
Hoffnung haben auch noch die Wissenschaftler, obwohl sie seit 40 Jahren warnen und sich sicherlich öfter wie die Rufer in der Wüste vorkommen. Bei der Leopoldina sprechen sie von der „Tragödie der Klima-Langzeitziele“. Wir Menschen reagieren nur, wenn uns etwas direkt bedroht. Nur irgendwer muss doch anfangen. Ich will gerne in einem Land leben, das beweist, dass es geht. Ich will gerne meinen Beitrag leisten, jeden Tag in Wort und Tat.
Auf die Frage, wieviel Zeit uns noch bleibt, um politisch Weichen zu stellen, habe ich von den Wissenschaftlern die Antwort bekommen: 10 Jahre – maximal.
Die Themenseite der Leopoldina mit Zusammenfassungen: https://www.leopoldina.org/themen/thema-klimaziele-2030/
Die Stellungnahme der Leopoldina als pdf: https://www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/klimaziele-2030-wege-zu-einer-nachhaltigen-reduktion-der-co2-emissionen-2019/
Der Artikel von Rico Grimm: https://krautreporter.de/3047-hoffnung-in-der-klimakrise?
1 Kommentar zu „10 Jahre – maximal!“
Danke für deine klugen Gedanken, und besonders für den Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Angst und Hoffnung. Dieser Aspekt wird nicht nur in der Klimapolitik gerne übersehen. Obwohl eines der weiteren zentralen Themen, bei denen der Zusammenhang übersehen wird, mittelbar mit dem Klima zu tun hat. Stichwort Fluchtursachen.
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